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Interviewreihe 2012 - Teil 8
Die Interviewreihe 2012 soll sowohl ein geschichtlicher als auch ein geographischer Schwenk von West nach Ost sein. Mit Interviewpartnern der ersten Generation, über Nachwuchstalenten und Nationalteam-Spielern, erfahrenen Coaches, teilweise sogar aus dem professionellen Baseball, bis hin zu Wieder-Aufgestiegenen, ist diese Reihe mit Persönlichkeiten bestückt, die aus Baseball-Austria nicht mehr wegzudenken sind.
Ganz besonders stolz sind wir auf unseren letzten Interviewpartner: Mit Christoph Wieser haben wir einen Mann, der wie kaum ein andere die Baseballlandschaft in Österreich mitgeprägt hat.
ABF: Du bist seit einigen Jahren, mit kurzer Unterbrechung, Ligaverantwortlicher der ABL. Außerdem bist du im Vorstand der ABF Vizepräsident für Baseball. Das kann manchmal ein sehr unangenehmer Job sein. Ständig muss man allen alles recht machen, Schiedsrichter einteilen und Strafen aussprechen. Was motiviert dich dennoch als Funktionär im Einsatz zu sein?
Christoph Wieser: Wenn ich das so genau wüsste, würde es wohl einiges einfacher machen. Viel hat damit zu tun, dass es um meinen Sport geht und darum das eigene Baby zu behüten und zu beschützen, einfach dafür Sorge tragen, dass es blüht und gedeiht. Ich bin davon überzeugt, dass wir noch lange nicht das Ende unserer Möglichkeiten erreicht haben, und meine Erfahrung und mein Weitblick dazu beitragen können, dass unser Sport auch weiter viele kleine Erfolge feiern kann. Meine Hoffnung ist, dass es neben den kleinen auch mal größere Erfolge gibt.
Du bist einer von vielen Baseballpionieren in Österreich, doch kaum einer ist in der Baseballöffentlichkeit noch so aktiv wie du. Nahezu die gesamte gültige SBO (Spielbetriebsordnung, Anm.) hast du mitbeschlossen und mitbearbeitet. Blickt man da mit einem gewissen Stolz darauf zurück, frei nach und er sah, dass es gut war?
Es ist leider nicht nur Stolz. Die letzten Jahre wurde mein Blick stark von Sorge getrübt, da immer wieder Regelungen gesucht werden, die individuelle Interessen in den Vordergrund stellen, und die SBO von einem Gesamtkonzept in ein Flickwerk mit vielen Ausnahmen und Sonderregelungen verwandeln.
Foto: privat;
Christoph Wieser ist 43 Jahre alt und ist Gründungsmitglied der Vienna Wanderers, deren Obmann er 23 Jahre war. Neben seinen jahrelangen Tätigkeiten als Vizepräsident Baseball des ABF bzw. WBSV und Ligavorsitzenden der ABL, war ebenso als Coach, Schiedsrichter und Spieler im Einsatz und wurde 1991 mit den Wanderers Österreichischer Staatsmeister.
Verglichen mit den ersten Meisterschaftsspielen, bei denen die Heimteams vier Stunden vor Spielbeginn die Base-Distanzen persönlich abgemessen und die Backstopps aufs Feld getragen haben, ist viel passiert. Auch die Ligastruktur hat sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert. In den kommenden Jahren steht eine weitere Reform der Bundesligen ins Haus. Was sind die langfristigen Ziele dieser Umstrukturierung? Welche Vorteile soll diese den Teams, aber auch dem österreichischen Baseball insgesamt bringen?
Die wesentlichen Vorteile liegen bei Bundesligen in meinen Augen nicht bei den Teams. Die Bundesligen sind die Auslagen unseres Sportes und müssen Sport, Verband und Vereine attraktiv erscheinen lassen. Dazu ist Professionalität und Nachhaltigkeit gefragt, dann stellt sich für die Teams die Frage nach Vorteilen durch Strukturen gar nicht mehr, weil die Teilnahme an einer attraktiven Liga selbst als größter Vorteil zu sehen ist.
Heute gibt es diese Professionalität und die Attraktivität in Ansätzen, aber wir schaffen es leider nicht überall und nicht immer. Dort muss die Entwicklung für Bundesligen hingehen, JEDES Spiel muss professionell und attraktiv sein und zwar on und off the field.
Mir ist persönlich auch klar, dass es für die einzelnen Vereine von Vorteil ist, wenn sie in einer Bundesliga spielen, aber damit müssen auch gewisse Qualitätsstandards verbunden sein, damit diese Bundesligen attraktiv sind. Wenn es uns nicht gelingt den Ruf von unprofessionellen Wirtshausligen abzulegen, wird es uns nicht gelingen unseren Sport weiterzuentwickeln und Zuschauer und Sponsoren anzusprechen.
Ich bin daher ganz klar für eine Reduzierung der Bundesligavereine, da diese Gruppe nur so stark ist wie das schwächste Mitglied. Es bedarf keiner großen Analyse um zu sehen, dass es aktuell zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe ein riesiges Gefälle in sportlicher und organisatorischer Qualität gibt. Leider haben wir als Verband nicht die Mitteln die Schwachen zu den Starken zu pushen, daher bin ich der Meinung kleinere aber homogenere Gruppen zu bilden und damit den Wettbewerb in diesen Gruppen und zwischen den Gruppen anzukurbeln. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir als Baseball-Community von jeder Weiterentwicklung in jedem Verein profitieren.
Eine Ausweitung der Bundesligen führt nach meiner Ansicht zu einer Nivellierung nach unten, wenn nicht gleich so doch mittelfristig. Was will man damit erreichen? Mehr Geld und Ansehen für einzelne Vereine? Das ist kurzfristiges Denken. Wenn die Förderungsgeber einen halbwegs ernsthaften Blick auf die neuen vorgeschlagen Ligastrukturen werfen, in denen fast jeder Verein Bundesliga spielt, bekommen die einen Lachkrampf und die Bemühungen um eine Anerkennung unseres Sportes als ein ernst zunehmendes Mitglied der österreichischen Sportlandschaft, sind Geschichte.
Die Leute mit denen wir als Funktionäre und Vereine sprechen, sind doch nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen. Die Aussage Wir spielen Bundesliga! ist mit zwei oder drei einfachen Fragen, die jeder Interessierte nachschießt, sofort als Witz entpuppt Wie viele Mannschaften spielen noch in der Bundesliga? Wo sind diese? Wie viele Vereine gibt es in Österreich? Was werden wir bekommen? ABL- und BBL-Spiele ohne Mound, ohne Dugout, ohne Platzsprecher, ohne Bewirtung für die Zuschauer,
dafür aber mit Mercy-Rule. Das ist nicht der Spielbetrieb den ich mir als Verantwortlicher in der ABF wünsche.
Christoph Wieser als Coach des Wanderers-Jugendteams - Foto: R. Cartes;
Du hast dich immer gegen eine regionale Trennung der ABL ausgesprochen. Neue Vorschläge würden Interleague-Partien zwischen Ost und West Teams beinhalten, auch von drei Regionen war die Rede. War das nie Thema für dich?
Ich habe mich nicht immer gegen eine Ost-West-Trennung ausgesprochen, aber leider sind die vorgelegten Konzepte in meinen Augen realitätsfremd und bedienen nur die Interessen weniger, ohne auf den Unterbau in den Vereinen und Regionen Rücksicht zu nehmen.
Wir haben sehr lange darum gekämpft, den Standard in der ABL auf ein ansehnliches Niveau zu schrauben, das uns von einem reinen Hobby-Sport abhebt. Das ist uns aus meiner Sicht immer noch nicht lückenlos gelungen, weil es in Österreich einfach zu wenig Vereine gibt, die strukturell mehr als ein Hobby-Verein zu bieten haben. In meinen Augen ist es für Baseball in Österreich noch eine große Herausforderung 12 Vereine zu finden, die die Struktur mit der notwendigen Infrastruktur haben um einen ansatzweise professionellen Betrieb über eine gesamte Saison zu gewährleisten. Das beginnt beim Zugriff auf einen Platz mit Mound, Dugouts, ansprechenden Dimensionen und einer Infrastruktur für Funktionäre, Publikum und Spieler und endet bei einem Kader der auch trotz Verletzungen und Ausfällen noch einen konkurrenzfähigen Gegner bieten kann. Von langfristigen Perspektiven für Verein und Region durch eine konstante und breite Nachwuchsarbeit will ich hier gar nicht erst sprechen.
Wir haben es in den letzten Jahren nicht geschafft mit 8 Mannschaften in der ABL eine ausgeglichene Meisterschaft zu gestalten und die Performance der BBL-Aufsteiger hat in den letzten Jahren gezeigt, dass zwischen ABL und BBL noch einmal ein ordentliches Leistungsgefälle herrscht, auch wenn sich das Niveau in der BBL in den letzten Jahren gut entwickelt hat. Diese Leistungsunterschiede sind es die in meinen Augen gegen eine Regionalisierung des Spielbetriebes in ABL und BBL sprechen. Was haben unsere Spieler und Zuschauer davon, wenn sie kürzere Fahrtstrecken auf sich nehmen müssen, die Spiele dann aber regelmäßig mit Mercy-Rules beendet werden.
In meinen Augen ist es für unsere Entwicklung wichtig, dass möglichst viele Spiele für möglichst viele Spieler mit Gegnern gespielt werden die ein vergleichbares Niveau aufweisen und das bedeutet für einen Doubleheader, dass beide Spiele spannend sein müssen. Nur so können wir Spieler dazu motivieren ständig und über Jahre an Ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass uns regionalere Ligen auch nicht mehr Spiele bringen können, solange es nicht auf allen Plätzen Flutlicht gibt. Es gibt in Österreich maximal 6 Wochen an denen man bei gutem Wetter unter der Woche ohne Flutlicht spielen kann. Leider ist das genau in der Zeit, wo viele Spieler auch durch andere Aktivitäten eingeschränkt sind.
Die Anzahl der Spiele ist bei uns in Österreich leider auch noch durch einen anderen Faktor limitiert. Ich spreche hier die Anzahl und die Verfügbarkeit von Schiedsrichtern an. Wir haben wirklich Spitzenleute die diesen Job in Österreich machen, aber wir haben regional unabhängig ein Problem für alle Spiele Schiedsrichter zu finden und in Folge der regionalen Unterschiede befürchte ich, dass sich dieses Problem mit einer Regionalisierung noch verstärken würde.
Ich bin auf jeden Fall für eine Regionalisierung der ABL und BBL, wenn wir das Niveau in den Ligen halten können, und wenn wir die kürzeren Distanzen auch überall in Österreich für zusätzliche Spiele nutzen können.
Das Herren-Nationalteam spielte 2011 im EM-Qualifikationsturnier in Antwerpen um den Aufstieg zur A-Pool EM 2012, den das Team jedoch im Finale gegen Belgien verpasste. In den letzten Jahren gab es immer wieder Versuche das Nationalteam auf Vordermann zu bringen. Beim diesjährigen Turniere waren neben den altbekannten Baseball-Ikonen wie Strasser, Tomsich und Klinc auch wieder talentierte Nachwuchsspieler wie Claus Seiser und Moritz Hackl mit dabei. Ein Trend der sich fortsetzen soll?
Ich hoffe nicht, dass sich der Trend Finale zu verlieren in Zukunft fortsetzen wird. Das Ziel das ausgegeben wurde, ist eine Etablierung im A-Pool.
Meine Vorstellungen gehen in die Richtung einer stärkeren Professionalität im und um das Nationalteam. Die Ansätze sind meiner Meinung nach vorhanden, aber es fehlt uns noch die letzte Konsequenz. Für jeden Spieler sollte es eine Ehre sein, sein Land und seinen Verband und somit alle anderen Baseballspieler mit dem Nationalteam vertreten zu dürfen. Jedem muss auch klar sein, dass damit viel Verantwortung verbunden ist. Die Zeiten wo eine Nationalteamberufung einen lustigen Urlaub mit Freunden bedeutet hat, sind vorbei. Unser Land stellt uns Steuergeld zur Verfügung, damit wir dieses Land würdig und ehrenvoll vertreten können. Dieses Vertrauen in unseren Verband und die damit verbundenen Möglichkeiten für den Einzelnen sollte durch jeden Nationalteamkandidaten in jeder Auswahl durch den Willen nach Leistung und Verbesserung belohnt werden.
Ich denke, dass wir uns mit unseren Programmen unter den gegebenen Möglichkeiten in eine gute Position gebracht haben, um auch langfristig sportlich erfolgreich zu sein und die Anerkennung im In- und Ausland zu erlangen die wir uns wünschen. Mir ist aber auch klar, dass wir noch lange nicht am Ziel angelangt sind, und die harte Arbeit die notwendig ist dort hin zu kommen, nicht vorbei sein wird, wenn wir es erreicht haben.
Tim Patrick hat nach dem Turnier im Sommer sein Amt als Headcoach im Nationalteam niedergelegt. Gibt es schon Kandidaten für einen Nachfolger? Wer sind diese?
Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.
Ein kurzer Word-Rap zum Abschluss:
Babe Ruth oder Barry Bonds: Babe Ruth
Meine Schwäche: Inzwischen ein paar Kilo zu viel
Nightgames: hätte ich gern mehr davon
2012 wird: ein entscheidendes Jahr
Größter Erfolg: liegt noch vor mir
Ost-West: Birgt ein Geheimnis ;)
Double-Header: Dauert ganz schön lang
Spritzer oder Bier: Spritzer
Tripleplay oder Walk-Off-Win: Tripleplay
Sportausschuss oder Bundessenat: Das Plauscherl dazwischen
Lieblingsbase: Dugout
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